Samstag, 3. April 2010

Rezension Star Wars Saga

Zuerst ein wenig zur Historie: Die Star Wars Saga Edition ist das insgesamt sechste offiziell lizenzierte Grundregelwerk eines Star Wars Pen&Paper Rollenspiels.
Überblick über die bisherigen Star Wars RPGs:
  • Star Wars d6 (1987, West End Games)
  • Star Wars d6 Second Edition (1992, West End Games)
  • Star Wars d6 Second Edition Revised and Expanded (1996, West End Games)
  • Star Wars d20 (2000, Wizards of the Coast)
  • Star Wars d20 Revised (2002, Wizards of the Coast)
  • Star Wars Saga Edition (2007, Wizards of the Coast)
Zu dieser Liste muss angemerkt werden, dass der gravierendste Übergang klarerweise jener von d6 auf d20 war. d6 und d20 sind vollkommen unterschiedliche Systeme unterschiedlicher Publisher, die in Bezug auf Star Wars eigentlich nur den Hintergrund gemeinsam haben. Wer sich näher mit dem d6-System (imo ein wirklich wunderbares Rollenspielsystem!) befassen möchte, findet im Netz sicherlich genügend Material dazu, aber das soll hier nicht das Thema sein.

Nach Herausgabe der beiden d20-Editionen hatte sich Wizards of the Coast dem Star Wars Miniaturenmarkt zugewandt und brachte ein breites Sortiment an Minis inkl. Tabletop-Regeln heraus. Die Saga Edition sollte nun einerseits die durch die neue Star-Wars-Filmtrilogie entstandenen Erweiterungen am Setting ins Rollenspiel portieren, andererseits die Erfahrungen aus dem Miniaturenspiel in die RPG-Kampfregeln einflechten.
Das merkt man auch deutlich am Systemdesign, die Kampfregeln sind darauf ausgerichtet, auf einer Battle Mat mit 1-Inch-Quadratfeldern und Miniaturen dargestellt zu werden. Prinzipiell ist es natürlich möglich, Kämpfe in Star Wars Saga auch ohne Battle Mat zu spielen, einige Regelmechanismen (Line of Sight, Cover, Weapon Ranges,...) können dann allerdings nur mehr ungenau nachgestellt werden.

Vom Regeldesign her mutet Star Wars Saga als eine Mischung aus D&D 3.5 und D&D 4 an. Obwohl noch unter dem Label "d20" stehend, sind einige Konzepte enthalten, die etwa ein Jahr später auch in D&D 4 (erschienen 2008) verwendet wurden (klassenspezifische Talents/Powers, passive Defenses, Second Wind,...). Mit d20, so wie man es aus dem SRD kennt, hat Star Wars Saga aber durchaus noch erkennbare Gemeinsamkeiten (wie der kundige Leser bei weiterer Lektüre feststellen wird).
So ist auch Star Wars Saga ein stufenbasiertes System, wobei (wie altbekannt) Stufe n bei (n2-n)*500 XP erreicht wird. Zwar enden in den Grundregeln die Stufentabellen bei Stufe 20, sind aber nach einfachem Schema ad infinitum nach oben fortsetzbar und es spräche regeltechnisch prinzipiell nichts dagegen, noch weiter hochzuspielen. Für Yoda und Palpatine sind im Grundregelwerk NSC-Stats angegeben, und den dort angegebenen Klassen nach hätten beide Stufe 20, weisen jedoch die Attribute von Charakteren mit Stufe 36+ auf. Raum zur Entwicklung nach oben ist also gegeben.

Die Charaktergenerierung basiert auf den Schritten
  • Rasse
  • Klasse
  • Attribute
  • Skills
  • Feats
  • Talents
Im Grundregelwerk (Core Rulebook) gibt es 17 vordefinierte Rassen (Species) zur Auswahl (neben Menschen (Human) natürlich auch die allseits beliebten "Ichse nichse verstehen"-Gungans sowie die brüllenden Bettvorleger). Menschen sind die vielseitigste Rasse und bekommen einen Skill und ein Feat zusätzlich zur freien Auswahl, ausgleichend dafür haben die anderen Rassen ("Nonhuman" bzw. "Alien Species") festgelegte Spezialfähigkeiten und/oder Attributsmodifikatoren. Neben organischen Lebensformen ist es natürlich auch möglich Droiden zu spielen, die verwendeten Regelmechanismen sind dabei weitgehend dieselben (als Spezies hat man fünf verschiedene "Grundkonstruktionsarten" (Droid Degrees) zur Auswahl, und die Charakterklasse repräsentiert dann quasi die Programmierung der KI des Droiden). In den optionalen Erweiterungsbänden sind weitere Rassen enthalten. Generell ist jedoch die Klasse eines Charakters definierender als seine Rasse.

SCs wählen auf Stufe 1 eine der fünf Grundklassen (Basic Classes): Jedi (Hit die d10), Noble (d6), Scoundrel (d6), Scout (d8) oder Soldier (d10). Man sieht also schon, dass Jedi und Soldier die robusteren Typen sind, Noble und Scoundrel sich eher nicht auf die vorderste Schlachtreihe einlassen sollten, wohingegen der Scout irgendwo in der Mitte steht. Jedi und Soldier haben auch die höheren Attack Bonuses, wohingegen sich die Nicht-Kämpfer dafür in mundaneren Fertigkeiten (z.B. Deception, Persuasion, Survival, Stealth) üben können.
Bei jedem Stufenanstieg kann man diese Stufe auf eine beliebige Klasse legen, wobei man dann die neuen Feats und Talents aus ebenjener Klasse wählt. Die Charakterstufe entspricht solcherart also immer der Summe der Klassenstufen. Ein nicht ganz unerfahrener (dritte Charakterstufe) Soldat, der sich auch in der Wildnis einigermaßen zurechtfindet, könnte dann also regeltechnisch als Soldier 2/Scout 1 dargestellt werden, während ein Planetenreisender, der sich im Notfall zu verteidigen wissen will, wohl Scout 2/Soldier 1 wäre; auch dieses "Multiclassing" ist ein aus d20 altbekanntes Konzept.
Generell is zu sagen, dass man an die wirklich guten Talents einer Klasse erst herankommt, wenn man den Talent-Tree dieser Klasse schon einige Stufen hinaufgeklettert ist, wohingegen man beim ausgiebigen Multiclassen von allem ein bisschen hat (quasi "Hans Dampf in allen Gassen"). Spezialisierung vs. Vielseitigkeit.
Von Stufe 1 bis 6 kann man nur Grundklassen wählen und sich somit einen Grundstock an Skills, Feats und Talents zusammensammeln.
Ab Stufe 7 wird es dann wirklich interessant, weil ab dann kann man Prestigeklassen (Prestige Classes), und damit vor allem die mit der jeweiligen Prestigeklasse verbundenen Talents, wählen. Im Grundregelwerk sind zwölf verschiedene Prestigeklassen (Ace Pilot, Bounty Hunter, Sith Apprentice,...) enthalten, viele weitere findet man in den optionalen Erweiterungsregelwerken. Da die meisten Prestigeklassen spezielle Voraussetzungen haben, sollte man, wenn man mit einer speziellen Prestigeklasse liebäugelt, bereits zwei oder drei Stufen vorausplanen und den Charakter entsprechend steigern. (Wer Jedi-Ritter werden möchte, sollte früh mit dem Training anfangen.)
Mit Stufe 12 wird dann nochmals eine Reihe weiterer Prestigeklassen freigeschaltet, ab diesem Zeitpunkt kann man dann z.B. eine Karriere als Jedi Master oder Sith Lord starten.

Die sechs Attribute sind aus D&D wohlbekannt: Strength, Constitution, Dexterity, Intelligence, Wisdom und Charisma. Es kann sowohl ausgewürfelt, als auch Pointbuy verwendet werden. Beim Pointbuy ist der Systemstandard: 25 Punkte zur Verfügung, man startet mit allen Attributen auf 8 und kauft diese nach folgendem Schema hoch: bis 14 jeweils 1 Punkt, auf 15 und 16 jeweils 2 Punkte, auf 17 und 18 jeweils 3 Punkte. Mögliche Sets wären also z.B. 14, 14, 13, 12, 11, 9 (eher ausgeglichene Werte), 15, 14, 13, 12, 10, 8 (Standardset) oder 16, 15, 12, 10, 9, 8 (eher extreme Werte). Bei Erreichen von Stufe 4, 8, 12, usw. erhöht man zwei verschiedene Attribute um jeweils 1.

Star Wars Saga kennt 19 verschiedene Skills (dt. "Talente", trotzdem nicht zu verwechseln mit den "Talents"), wobei sich der Knowledge-Skill in sieben verschiedene, voneinander unabhängige Teilbereiche aufspaltet, insgesamt kann man also von 25 Skills sprechen. Das was Noble, Scoundrel und Scout an Hit Points und Attack Bonus nicht bekommen, machen sie in diesem Bereich wett.

Feats (am ehesten mit "Spezialfähigkeiten" oder "Sonderfertigkeiten" übersetzbar) gibt es zu verschiedensten Einsatzzwecken (Kampf, Defenses, Skills, Machteinsatz,...). Man bekommt sie hauptsächlich aus der Klassenstufe, wobei hier jeweils nur zur Klasse passende Feats gewählt werden dürfen (für jede Klasse gibt es eine Liste an wählbaren Feats). Einige zusätzliche Feats kommen dann noch mit steigender Charakterstufe, diese können frei gewählt werden.

Talents sind, ähnlich wie die Feats, Spezialfähigkeiten, können aber in Unterschied zu diesen nur über die an die Klassen gebundenen Talent-Trees gewählt werden, wobei die am höchsten hängenden Kirschen am süßesten sind. Nobles haben z.B. spezielle Talents, die ihnen in Verhandlungen helfen, Soldiers haben u.a. spezielle Kampffertigkeiten zur Auswahl und Jedis bspw. eigene Macht-Meditationstechniken. Auch Blasterschüsse mit dem Lichtschwert umzulenken ist z.B. ein Jedi-Talent.

Nun noch einige Anmerkungen zu dem, was Star Wars erst Star Wars macht, nämlich die Macht:

Ein festes Alignment-System im aus D&D bekannten Sinne gibt es nicht, dafür aber den sogenannten Dark Side Score. Man startet normalerweise bei 0, für "böse" Taten (z.B. Unschuldige töten) erhöht sich dieser (bis max. auf den Wisdom-Wert), bei "guten" Taten (z.B. diplomatische Friedenssicherung) kann er wieder sinken (bis auf min. 0). Bei der Festlegung, was genau "böse" und was "gute" Taten sind, ist natürlich viel Meisterentscheid dabei, und dieser kann u.U. auch charakterspezifisch ausfallen. Auch der unverhältnismäßige Einsatz von Macht-Kräften, insbesondere jenen, die der dunklen Seite zugerechnet werden, kann den Dark Side Score erhöhen. Hat man soviele Dark Side Points wie Wisdom angesammelt, ist der Charakter zur dunklen Seite übergelaufen ("Your journey to the dark side has now completed"). Dies hat dann sowohl rollenspielerische, als auch regeltechnische Auswirkungen, z.B. jene, dass man erst mit vollem Dark Side Score die Sith-Klassen und damit spezielle Sith-Fähigkeiten wählen kann. Von der dunklen Seite wieder loszukommen ist schwierig, aber möglich (indem man z.B. zufällig anwesende Imperatoren in Reaktorschächte wirft). Erfahrene Force-User können den Dark Side Score eines Gegenübers "auslesen" ("Große Furcht in dir ich spüre"), was das Gegenüber aber mittels eines Force Contest versuchen kann zu verhindern.

Prinzipiell kann jedes organische Lebewesen machtsensitiv sein, Droiden allerdings nicht. Nur machtsensitive Charaktere können bewusst die Macht anrufen. Auch nicht-machtsensitive Charaktere können die Macht anrufen, allerdings nur unbewusst und viel seltener; geregelt wird dies durch die Force Points. Das unbewusste Anrufen der Macht repräsentiert/bewirkt eine günstige Schicksalsfügung, außergewöhnliches Glück oder das Über-sich-Hinauswachsen in entscheidenden Situationen. Machtsensitive Charaktere hingegen haben erstens mehr Force Points, und können sie außerdem dazu benutzen, besonders starke Machteffekte zu bewirken. Ausgegebene Force Points regenerieren sich erst wieder beim nächsten Stufenaufstieg, sollten also sparsam eingesetzt werden.
Charaktere die als Jedi starten sind immer machtsensitiv. Nicht-machtsensitive Charaktere können später im Spiel zu machtsensitiven Charakteren werden; regeltechnisch geschieht dies durch die Wahl des Feats Force Sensitivity.


Was mir persönlich sehr zusagt ist die Layoutierung der Regelbücher. Der Text ist durchgehend zweispaltig gegliedert, und die Kapitelstruktur wird durch einen Daumenindex mit Farbcode unterstützt, was sehr dabei hilft, die Regeln visuell zu erfassen, sich so einfacher zu merken und gedanklich schnell darauf zurückgreifen zu können. Das Seitenformat ist quadratisch 23x23 cm, was für Rollenspiel-Regelbücher eher ungewohnt anmutet, sich jedoch am Spieltisch als sehr handlich erweist.

Wizards of the Coast hat übrigens im Januar 2010 angekündigt, ihre Star-Wars-Lizenz im Mai 2010 auslaufen zu lassen. Bleibt es bei dieser Ankündigung, wird das abgeschlossene Star Wars Saga System an offiziellem Material dann voraussichtlich das Grundregelwerk (288 Seiten), 13 Erweiterungsbände (insg. 2592 Seiten), den Meisterschirm und die "Galaxy Tiles" (Spielpläne mit Quadratraster aus Pappe zur Darstellung von Kämpfen) umfassen.

Weitere Infos inkl. einer Liste aller Regelwerke gibt es u.a. in der englischen Wikipedia.

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