Im Nachhinein betrachtet waren Faschingsverkleidungen wohl meine erste wirkliche Begegnung mit der Thematik Rollenspiel.
- Im Kindergartenalter wurde ich einmal zwangsweise als Clown verkleidet. Die Gesichtsfarbe und die Halskrause haben schrecklich gejuckt, ich konnte nicht von meinem Jausenbrot abbeißen ohne Lippenfarbe zu schmecken und kam mir wie ein Idiot vor (in dem Maße, in dem sich Kindergartenkinder wie Idioten vorkommen können). Eindeutig ein nachhaltiges Faschingstrauma. Mama, wenn du das liest: Macht nichts, ich weiß du hast es gut gemeint.
- In der Volksschule war ich dann mal Indianer, ich glaub sogar zweimal. Ist auch eine relativ unaufwändige Verkleidung: Hauptlingsperücke auf, abgetragenes braunes Hemd an, jeweils zwei Streifen Farbe an die Wangen, Plastiktomahawk in die Hand, fertig. Man braucht nicht viel reden, nur zwischendurch immer grimmig schauen und ab und zu Kriegsgeheul anstimmen. Fighter sind halt doch am einfachsten zu spielen.
- Später war ich dann Cowboy, aber das hat mir auch nicht wirklich getaugt, zu klischeehaft (obwohl ich mich mit dem Indianer nicht klischeehaft gefühlt habe, seltsam). Aber immer noch weit besser als der Clown.
- Der Höhepunkt war dann die Computerverkleidung, da war ich wohl etwa zehn bis zwölf. Einen Karton um den Torso mit ausgeschnittenen Löchern für die Extremitäten und den Kopf, darauf ein paar bemalte Glühbirnen geklebt, Einser und Nullen in zufälliger Reihenfolge und Fachbegriffe draufgemalt (ich glaub ich hab damals geläufige Begriffe wie IRQ und AUTOEXEC.BAT benutzt) und an gut sichtbaren Stellen Alufolie appliziert. War ganz cool, aber relativ anstrengend zum Tragen, und Hinsetzen ist nicht, also keine Verkleidung für eine volle Veranstaltung.
Um dem Titel dieses Postings gerecht zu werden, und nicht nur eine Sammlung von Kindheitserinnerungen hinzuschreiben, hier noch etwas zum Thema Fasching aus der Sicht eines Rollenspielers:
Das Brauchtum Fasching, so wie ich es aus dem Kulturkreis, in dem ich aufgewachsen bin, kenne, verbinde ich mit dem menschlichen Bedürfnis, die schwere Last des Winters abzuschütteln, den Schlaf aus den Augen zu reiben und sich auf den Frühling vorzubereiten. Ein probates (Hilfs-)Mittel dafür ist die Perspektive von anderen Individuen einzunehmen, also Rollenzuspielen, um aufgestautem Gedankentrott zu entkommen und geistige Perspektiven zu erweitern; und sei es auch nur, sich eine farbige Perücke oder eine ulkige Pappnase aufzusetzen, um sich einmal so zu verhalten bzw. so zu zeigen, wie man es im "normalen" Leben nie tun würde. So würde ich durchaus behaupten, dass sich der Fasching teilweise aus der intuitiven Anwendung der Kraft des Rollenspielens entwickelt hat.
Nachdem du uns so subtil auf diese Seite gelockt hast, lasse ich mich einmal in Großmut und Langeweile dazu herab, einen Kommentar zu schreiben.
AntwortenLöschenJedenfalls halte ich den Gedanken, Fasching mit dem "Urbedürfnis" nach Rollenspiel gleichzusetzen, für nicht ganz verkehrt.
Da kann man als Erwachsener nochmal Cowboy und Indianer spielen ohne sich dafür schämen zu müssen. Hin und wieder die gesellschaftlichen Konventionen aufbrechen ist sicher nicht ungesund (zumindest, sofern man die Sache nicht auf gesellschaftliche Konventionen wie "du sollst nicht töten" ausdehnt).
Obwohl die meisten Kollegen männlichen Geschlechts wohl eher an knappen Kostümen der Damen interessiert sein dürften (Karneval in Rio läßt grüßen). Das kann aber vielleicht für manchen auch als seelischer Balsam durchgehen.
Bevor ich den Blog gelesen hab, war mir gar nicht bewußt, dass Faschingsdienstag ist (was interessiert mich solch ein Unsinn?), aber wenn du schon rollenspielmäßig darauf Bezug nehmen willst, habe ich das ebenfalls getan, und einmal ganz im Sinne des Verkleidens die Chimärologie-Regeln für mein Smirg-System niedergeschrieben.
So macht verkleiden noch Spaß und Sinn, und man hat endlich Verwendung für die ganzen Narren die herumlaufen und das verbreiten, was sie für gute Laune halten (als Rohmaterial nämlich).
In diesem Sinne:
Fasching den Chimärologen!
Fleischformer aller Welten vereinigt euch!
Ansonsten kann ich noch anmerken, dass ich auf verkleiden nie Lust hatte, seit ich klar denken kann. Vermutlich immer eine unterbewußte Trotzreaktion, den ganzen Tag verkleidet rumlaufen zu müssen ohne am Abend Erfahrungspunkte dafür einstreichen zu können.
Faschingsverkleidungen halte ich für noch verachtenswerter als Blogs. :)